Fremde Schwester
von Hille Sundermeier
Fremdsprachen sind im Urlaub nützlich, im Job heute überlebenswichtig. Um sich gut vorzubereiten, kann man zum Beispiel mit dem Voltaire-Programm ein halbes Jahr im Ausland verbringen. Doch wie fühlt man sich als Austauschschülerin, die seit einer Woche eine fremde Schwester hat?
Meine Erfahrungen
Ich habe schon zwei Tage, nachdem der Brief von Voltaire kam, eine e-Mail an meine Partnerin geschrieben. Es war nicht einfach, weil ich sie ja noch gar nicht so richtig kannte und eigentlich keine Ahnung hatte, was ich schreiben sollte. Stellt man schon in der ersten e-Mail wichtige Fragen wie „Wann kommst du?“, „Wann hast du Ferien?“, „Was möchtest du in Deutschland gerne sehen oder machen?“? Ich entschied mich für die wichtigsten Fragen und schrieb so lustig und locker, wie mein Schulfranzösisch es zuließ. Ich erzählte über die Schule und meinen Buchgeschmack. Am Ende war ich selbst überrascht, wie viel ich geschrieben hatte.
Nach dieser ersten Nachricht wechselten wir fast täglich e-Mails. Sie machte einen sehr netten Eindruck und ich war glücklich. Ich organisierte alles in der Schule, sagte meinen Klassenkameraden Bescheid und dachte viel über mögliche Unternehmungen nach.
Als der Termin endlich fest stand, war er auch schon fast da: Sonntag, der 17. Februar 2007.
An diesem besonderen Tag war auf einmal alles anders. Meine Mutter gratulierte mir „Du hast jetzt eine Schwester!“ und ich verschüttete wegen meinen zitternden Händen das Mehl. Das Schlimmste war, dass sie fast zwei Stunden zu spät kam. Ich saß da und wartete, ich konnte nicht weggehen, aber einfach nur rumsitzen, konnte ich auch nicht. Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache, doch so langsam wurde mir bewusst, wie lang ein halbes Jahr sein würde.
Beim Kaffe trinken zu fünft - ihre Mutter hatte sie mit dem Auto zu uns gefahren - waren wir beide noch ziemlich unsicher. Wir lächelten verlegen und sagten nicht viel, was sich aber bald änderte. Jetzt ist meine Partnerin schon eine Woche in Deutschland und man kann ihr beim Lernen zuschauen. Es ist wirklich unglaublich, was sie in einer Woche für Fortschritte gemacht hat!
Mittlerweile ist mir klar, dass auch ein noch so ausführlicher Anmeldebogen nicht dazu bestimmt ist, einen Partner zu suchen, der genauso ist, wie man selbst, sondern nur, möglichst viele Übereinstimmungen zu finden. Wir vertragen uns gut, aber wir sind sehr verschieden. Und das ist auch gut so.
Über das Programm
Das Voltaire - Programm ist ein einjähriges Deutsch-Französisches Austauschprogramm, das sich an Schüler und Schülerinnen der neunten und zehnten Klasse richtet. Es dient dazu, die Freundschaft zwischen den beiden Ländern zu festigen und persönliche Kontakte zu knüpfen. Noch wichtiger, als eine Fremdsprache perfekt zu beherrschen, soll sein, die Kultur kennen zu lernen. Dazu gehört, dass man viel über sich selbst lernen kann, wenn man auf einmal nichts mehr versteht.
Das Programm zeichnet sich besonders durch die sorgfältige Auswahl des Austauschpartners aus. Infos gibt es bei der Kultusministerkonferenz unter www.kmk-pad.org. Bewerbungsschluss für das nächste Jahr (2009/2010) ist Anfang November.
vdippel - 28. Mär, 12:42